BSG Urteil: Auswirkungen auf den Dozenteneinsatz für Bildungsträger

Goldene Statue der Justitia, die vor einem klaren blauen Himmel eine Waage und ein Schwert hält.

Das Urteil B 12 R 3/20 R des Bundessozialgerichts BSG (Stichwort: “Herrenberg Urteil Musiklehrerin”) hat die rechtliche Einordnung von Lehrkräften als abhängig Beschäftigte gestärkt. Diese Entscheidung betrifft Bildungsträger und Dozenten erheblich. Bildungseinrichtungen müssen nun die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung strenger beachten. Es zeigt, dass Lehrkräfte in Weiterbildungseinrichtungen oft als sozialversicherungspflichtig gelten. Diese Entwicklung beeinflusst die Planung und Vergütung von Dozenten und erfordert Anpassungen in der Personalplanung von Bildungsträgern.

Details des BSG Urteil B 12 R 3/20 R

Hauptpunkte des Urteils

Das BSG Urteil B 12 R 3/20 R hat die rechtliche Einordnung von Lehrkräften an Bildungseinrichtungen grundlegend verändert. Das Bundessozialgericht (BSG) befasste sich mit der Frage, ob eine Musikschullehrerin als abhängig Beschäftigte oder als selbstständige Lehrkraft einzustufen ist. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Bildungsträger, da sie die Kriterien für die Statusfeststellung von Lehrkräften neu definiert. Die rechtliche Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit hängt maßgeblich von der tatsächlichen Ausgestaltung der Arbeitsleistung ab. Das Gericht betonte, dass die vertraglichen Vereinbarungen allein nicht entscheidend sind, sondern die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses.

Begründung des Gerichts

Das Gericht begründet seine Entscheidung mit der Notwendigkeit, die soziale Absicherung von Lehrkräften zu gewährleisten. Es argumentiert, dass die tatsächlichen Arbeitsbedingungen und die vertraglichen Vereinbarungen entscheidend für die Einstufung als abhängig Beschäftigte sind.

Die 7 entscheidenden Kriterien zur Statusfeststellung von Dozenten

Diese 7 Kriterien sind zentrale Aspekte bei der Beurteilung, ob eine Lehrkraft als selbstständig oder abhängig beschäftigt gilt. Bildungsträger müssen diese Punkte sorgfältig prüfen und die tatsächliche Ausgestaltung der Arbeitsbeziehung analysieren, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Entscheidend sind nicht nur vertragliche Vereinbarungen, sondern vor allem, wie die Tätigkeit in der Praxis ausgeführt wird.

1. Eingliederung in den Betrieb des Bildungsträgers

  • Bedeutung: Eine wichtige Frage bei der Statusfeststellung ist, ob die Lehrkraft organisatorisch in den Betrieb des Bildungsträgers eingebunden ist. Dies betrifft vor allem die Frage, inwieweit die Dozentin/der Dozent am alltäglichen Betrieb teilnimmt, z. B. durch die Einbindung in Planungs- oder Teammeetings.
  • Beispiele: Eine Lehrkraft, die feste Unterrichtsräume und Zeiten hat und regelmäßig an Besprechungen oder internen Veranstaltungen teilnimmt, ist stärker in den Betrieb eingegliedert und wird tendenziell als abhängig Beschäftigte angesehen. Dagegen spricht für eine Selbstständigkeit, wenn der Dozent flexibel arbeiten kann, ohne in den organisatorischen Betrieb integriert zu sein.

2. Weisungsgebundenheit

  • Bedeutung: Weisungsgebundenheit beschreibt den Grad, in dem die Lehrkraft Anweisungen zur Art, Durchführung und Organisation ihrer Arbeit erhält. Je mehr Vorgaben es gibt, desto eher liegt eine abhängige Beschäftigung vor.
  • Beispiele: Abhängig Beschäftigte müssen häufig den Unterricht nach einem festen Lehrplan oder Curriculum gestalten, das vom Bildungsträger vorgegeben wird. Selbstständige haben mehr Freiheit, wie sie den Unterricht gestalten, welche Methoden sie verwenden und wann sie den Unterricht abhalten.

3. Persönliche Leistungserbringung

  • Bedeutung: Ein weiteres Kriterium ist, ob die Lehrkraft ihre Arbeit persönlich erbringen muss oder ob sie die Möglichkeit hat, eine Vertretung zu beauftragen. Abhängig Beschäftigte sind in der Regel verpflichtet, ihre Aufgaben selbst zu erfüllen, während Selbstständige oft die Freiheit haben, eine Vertretung zu organisieren.
  • Beispiele: Wenn ein Dozent einen Vertreter für sich einsetzen kann, weil er die Freiheit hat, dies selbst zu organisieren, deutet das auf eine selbstständige Tätigkeit hin. Wenn er jedoch persönlich die Verpflichtung hat, immer anwesend zu sein, spricht dies für eine abhängige Beschäftigung.

4. Unternehmerisches Risiko

  • Bedeutung: Unternehmerisches Risiko bedeutet, dass eine selbstständige Person das Risiko trägt, Gewinne zu erzielen oder Verluste zu erleiden, etwa durch Einnahmeausfälle oder zusätzliche Kosten für Arbeitsmittel. Abhängig Beschäftigte tragen dieses Risiko in der Regel nicht.
  • Beispiele: Ein selbstständiger Dozent, der seine eigenen Materialien bereitstellt, seine eigene Technik nutzt oder bei fehlenden Teilnehmern Einkommensverluste hinnehmen muss, trägt ein unternehmerisches Risiko. Abhängig Beschäftigte haben hingegen ein festes Gehalt oder Honorar und tragen kein solches Risiko.

5. Freie Gestaltung der Tätigkeit und Arbeitszeit

  • Bedeutung: Selbstständige haben üblicherweise die Freiheit, ihre Arbeitsinhalte und -zeiten eigenverantwortlich zu gestalten. Eine feste Vorgabe der Arbeitszeiten und Unterrichtsinhalte durch den Auftraggeber spricht eher für eine abhängige Beschäftigung.
  • Beispiele: Ein selbstständiger Dozent kann den Unterrichtsinhalt und die Arbeitszeiten nach eigenem Ermessen festlegen, während ein angestellter Dozent genaue Vorgaben zu Unterrichtszeiten und Themen hat, denen er folgen muss.

6. Art der Vergütung

  • Bedeutung: Die Art und Weise der Vergütung ist ein wichtiger Hinweis auf den Status der Lehrkraft. Abhängig Beschäftigte erhalten meist ein festes Gehalt oder Honorar, während Selbstständige oft eine leistungsgerechte Vergütung haben, die abhängig von Faktoren wie der Teilnehmerzahl oder erbrachten Zusatzleistungen ist.
  • Beispiele: Ein Dozent, der nach einem festen Stundensatz bezahlt wird und keine Möglichkeit hat, sein Einkommen zu variieren, ist eher als abhängig beschäftigt einzustufen. Selbstständige hingegen können ihr Einkommen oft durch zusätzliche Angebote wie Gruppenunterricht oder spezielle Kurse beeinflussen.

7. Vertragliche Regelungen und tatsächliche Durchführung

  • Bedeutung: Neben dem Wortlaut des Vertrags ist die tatsächliche Durchführung der vertraglichen Vereinbarungen entscheidend. Auch wenn ein Vertrag von einer „selbstständigen Tätigkeit“ spricht, können die realen Arbeitsbedingungen auf eine abhängige Beschäftigung hindeuten.
  • Beispiele: Wenn in einem Vertrag eine selbstständige Tätigkeit vereinbart ist, die Lehrkraft aber in der Realität stark in den Betrieb eingebunden ist und unter festen Vorgaben arbeitet, kann sie dennoch als abhängig beschäftigt eingestuft werden. Entscheidend ist also, wie die Arbeit tatsächlich ausgestaltet ist.

Auswirkungen auf die Dozenteneinsatzplanung

Zwei Personen arbeiten an einem Holzschreibtisch mit Laptop, Tastatur, Maus, Notizblöcken, bunten Bleistiften und Würfeln.

Veränderungen in der Planung

Anpassungen in der Personalplanung

Bildungsträger müssen ihre Personalplanung überdenken. Das BSG-Urteil 2022 zwingt sie, den Beschäftigungsstatus ihrer Lehrkräfte genauer zu prüfen. Lehrkräfte, die bisher als selbstständig galten, könnten nun als abhängig Beschäftigte eingestuft werden. Diese Einstufung erfordert eine Anpassung der Personalplanung, um rechtliche Risiken zu minimieren.

Neue Anforderungen an Bildungsträger

Das Urteil stellt neue Anforderungen an Bildungsträger. Sie müssen die Arbeitsbedingungen ihrer Lehrkräfte genau dokumentieren. Die Festlegung von Unterrichtszeiten und -räumen sowie die Weisungsgebundenheit der Lehrkräfte spielen eine entscheidende Rolle. Bildungsträger müssen sicherstellen, dass ihre Verträge und Arbeitsbedingungen den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Diese Anforderungen erfordern eine sorgfältige Planung und Dokumentation, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Fazit

Das BSG-Urteil 2022 hat die rechtliche Einordnung von Lehrkräften als abhängig Beschäftigte gestärkt. Bildungsträger müssen ihre Personalplanung anpassen, um rechtliche Risiken zu minimieren. Langfristig könnten diese Anpassungen die soziale Absicherung der Lehrkräfte verbessern und die finanzielle Stabilität der Versicherungssysteme stärken. Zukünftige rechtliche Entwicklungen könnten die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung weiter präzisieren. Bildungsträger sollten sich auf mögliche Änderungen vorbereiten, um ihre Dozenteneinsatzplanung effizient und rechtssicher zu gestalten.